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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 17.10.2019:

„Künstliche Intelligenz kann im Bildungsbereich als Leistungsbeschleuniger eingesetzt werden.“

Künstliche Intelligenz und Bildung
Das Bild zum Artikel
Bildrechte: Prof. Dr. Prof. h.c. Andreas Dengel

Künstliche Intelligenz (KI) - Computersysteme, Maschinen und Roboter, die selbstständig lernen können - spielen schon in vielen Bereichen eine wichtige Rolle. Die Online-Redaktion von „Bildung + Innovation“ sprach mit Prof. Dr. Prof. h.c. Andreas Dengel, Standortleiter am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Kaiserslautern und wissenschaftlicher Direktor des Forschungsbereichs „Smarte Daten & Wissensdienste“ am DFKI, darüber, welchen Einfluss KI auf den Bildungsbereich hat.


Online-Redaktion: Welche Bedeutung hat KI für den Bildungsbereich?

Dengel: KI kann im Bildungsbereich als Leistungsbeschleuniger eingesetzt werden, indem man dort eine Art Tutorsystem entwickelt, das Lernende über entsprechende Schnittstellen zu den Lernobjekten mit individualisierten Lernprozessen unterstützt.

Online-Redaktion: Wie kann man sich das genau vorstellen?

Dengel: Lernende können über Sensoren, die am Ausbildungsplatz, in der Fabrik oder im Klassenraum installiert werden, bei der Interaktion mit Lernobjekten begleitet werden. Ein Eyetracker zum Beispiel, über den Sensordaten implementiert sind, versucht, Blickpfade zu ermitteln, die bei der Interaktion des Lernenden mit den Lernobjekten entstehen. Auf der Grundlage der Art, wie der Lernende Texte liest, kann das System verstehen, ob der Leser/die Leserin Interesse an dem Text hat, ob es Verständnisprobleme gibt oder wie der Vorwissensstand zu dem inhaltlichen Stoff ist, der in dem Text behandelt wird. Passend dazu kann das System dann individualisierte Hilfestellung leisten, indem es zusätzliche Videos einblendet, die Erklärungen anbieten, Formeln wiederholen., usw. Dieses Verfahren wenden wir beispielsweise im Projekt „HyperMind“ an, hier entwickeln wir ein intelligentes, persönliches Physikschulbuch, das Wissensbedarf erkennt und so individualisiertes Lernen ermöglicht.

Online-Redaktion: Ist die Sensortechnologie die vorrangige im Rahmen der KI im Bildungsbereich?

Dengel: Um Einblicke zu bekommen, wie Inhalte wirken, ist es natürlich wichtig, die Lernenden beim Umgang damit zu beobachten. Dabei spielen Sensoren eine große Rolle, unabhängig davon, ob das Eyetracker sind oder thermische Kameras, mit denen man sieht, ob kognitiver Stress während des Lernens erzeugt wird. Wir haben auch Sensoren, die auf Stühlen angebracht sind, mit denen man „Hibbeligkeit“ und Aufmerksamkeit an der Haltung des Körpers messen kann.

Online-Redaktion: Gibt es auch Nachteile von KI im Bildungsbereich?

Dengel: Es ist wichtig zu sehen, dass KI eine Lehrkraft nicht ersetzen kann, sondern immer in Verbindung mit der ausgebildeten Lehrkraft agiert, die natürlich pädagogisch und psychologisch ganz andere Einwirkmöglichkeiten hat. Aber eine KI kann beispielsweise dabei helfen, Einblicke zu bekommen in die Ereignisse, die im Klassenverband stattfinden, wenn man einen bestimmten Stoff durchnimmt. Man muss natürlich aufpassen, dass KI nicht dazu benutzt wird, dass Daten über Einzelne gesammelt und aufbewahrt und Scoring-Systeme entwickelt werden, mit denen festgestellt wird, ob Lernende mitmachen oder Interesse haben, und damit auch Bewertungen schafft, die völlig deplatziert sind, wie das in China der Fall ist. Uns geht es hier an der Stelle wirklich darum, ergänzend Leistungsverstärkertechnologie zu installieren, die die Ausbilderinnen und Ausbilder unterstützt.

Online-Redaktion: Gibt es Bildungsbereiche, in denen schon aktiv mit KI gearbeitet wird?  

Dengel: Es gibt zum Beispiel Plattformen, die Inhalte sammeln, die man intelligent durchsuchen kann, um relevante Lernobjekte zu finden, die einen weiterbringen. Es gibt in anderen Ländern auch spezifische elektronische Tutoren, die begleitend zum Universitätsstudium oder zur Highschool bzw. gymnasialen Oberstufe eingesetzt werden, um die Lernenden zu unterstützen.

Online-Redaktion: Welche Technologien und Methoden zur Unterstützung von Lehr- und Lernprozessen werden in den interdisziplinären Laboren im Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) entwickelt?

Dengel: Das sind eine ganze Reihe, die bereits vielerorts in Verbindung mit Augmented Reality eingesetzt werden. Durch sie erhält man Einblicke in Experimente, in die Aufbauten selbst oder in Temperaturverhalten, in Dynamik der Veränderung, Magnetismus etc. Aber wir entwickeln auch Technologien, mit denen man individualisiertes Lernen besser unterstützt, indem man an der Schnittstelle zwischen Lernobjekt und Lernenden eine Art Feedback Loop installiert, das die Aktionen des Lernenden auf die Lernobjekte bewertet, wie beispielsweise das Buch im Projekt „HyperMind“, das auf Bedarfe reagiert oder Hilfestellungen gibt, die benötigt werden.

Online-Redaktion: Sie sind Standortleiter am DFKI in Kaiserslautern und wissenschaftlicher Direktor des Forschungsbereichs „Smart Data & Knowledge Services“. Was fällt in Ihren Aufgabenbereich?

Dengel: Wir betreuen in dem ganzen Bereich etwa 50 Projekte, die ein breites Spektrum unterschiedlichster Anwendungsgebiete abdecken, die neben der Bildung ganz klassische Industriesegmente wie Automotive, Agrar, Banking, Logistik oder die Bekleidungsindustrie betreffen. Dabei haben wir es mit sehr umfangreichen Datenkollektionen zu tun, die wir analysieren. Wir identifizieren zum Beispiel Korrelationen und damit auch anomalisches Verhalten, also Fehler, die in Prozessen vorkommen und aus denen man frühzeitig erkennen kann, wenn etwas nicht gut läuft, und mit denen man auch Vorhersagen treffen kann, um Fehler zu vermeiden. Wir führen auch Projekte gemeinsam mit der NASA durch, in denen wir Satellitenbilder analysieren, die Katastrophen dokumentieren - große Waldbrände, Überflutungen o. ä. -, und gleichzeitig Nachrichten in Sozialen Medien analysieren, die von den Betroffenen versandt werden. Es gibt eine große Anzahl verschiedenster Fragestellungen, die wir mit KI bearbeiten.

Online-Redaktion: Welche Ziele verfolgt das Immersive Quantified Learning Lab (iQL), das Sie leiten?

Dengel: Im iQL führen wir Systeme zusammen, die es uns ermöglichen, unterschiedliche Formen der Interaktion mit Lernobjekten durchzuführen, sei es über das Auge, wie mit dem Eyetracker beim Lesen, aber auch in der Stifttechnologie. Hierbei versuchen wir Methoden zu entwickeln, die den Lernprozess in der Verwendung von Stiften unterstützen. Darüber hinaus versuchen wir auch aus der Erkenntnis von Defiziten beim Lernen und durch die Möglichkeit verschiedener Talente, die ganz unterschiedlich auf Lernobjekte reagieren, neue Lernformen und Lernprozesse zu entwickeln.

Online-Redaktion: Wie alltagstauglich sind Sensortechnologien und Stiftmethoden in der Schule?

Dengel: Sie sind erstaunlich alltagstauglich. Wir haben schon sehr viele Experimente in unterschiedlichen Konstellationen durchgeführt, sei es mit ganzen Klassenverbänden, sei es mit Studierenden oder auch Firmenmitarbeitern, und dabei festgestellt, dass darin enorm großes Potenzial liegt. Wenn man mehr Ressourcen und Mittel zur Verfügung hätte, um solche Technologien voranzutreiben, könnte man sie auf jeden Fall in Schulen und anderen Lernumgebungen einsetzen.

Online-Redaktion: Wie wird KI Bildung in Zukunft verändern? Wie stellen Sie sich das Lernen in der Schule in der Zukunft vor?

Dengel: Da gibt es viele Möglichkeiten. Vorstellen kann man sich allein schon bei der Umgebung, wie und wo Schule stattfindet, vieles. Zum Beispiel, dass viel interaktiver mit allen Wänden und Medien gleichzeitig agiert wird, dass man Informationen vom Arbeitsplatz an die Wand, an die Tafel verschieben kann und dass es im Hintergrund Systeme gibt, die individuell erbrachte Leistungen analysieren und Feedback geben, indem sie die gesammelten Interaktionen zwischen den Lernenden und der KI, auch dem Lehrer oder dem Ausbilder, in konzentrierter Form über den Monitor zur Verfügung stellen. So lassen sich sowohl individuelle Lernprozesse als auch die Entwicklung des Klassenverbandes besser bewerten. Und es werden sicherlich unterschiedliche Formen von Medien eine wichtige Rolle spielen. Wahrscheinlich schreibt man dann längst nicht mehr auf Papier, sondern hat große Displays, die in den Desktop integriert sind, auf denen man in unterschiedlichster Form mit verschiedensten Inhalten agiert, so dass Schülerinnen und Schüler über einen individualisierten Tutor auch auf Basis ihrer Begabung und ihres Interesses gefördert werden.


Prof. Dr. Prof. h.c. Andreas Dengel ist Standortleiter am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Kaiserslautern und wissenschaftlicher Direktor des Forschungsbereichs Smarte Daten & Wissensdienste am DFKI. Darüber hinaus ist er Gründer und Leiter des Deep Learning Competence Center am DFKI. Seit 1993 ist er Professor am Fachbereich Informatik der Universität Kaiserslautern. Seit 2009 hat er außerdem eine Professur (Kyakuin) im Fachbereich für Informatik und Intelligente Systeme an der Graduate School of Engineering der Osaka Prefecture University. Im März 2018 wurde er an der Osaka Prefecture University zum „Distinguished Honorary Professor" (tokubetu eiyo kyoju) ernannt, eine Auszeichnung, die nur fünf Forscher innerhalb von 135 Jahren erhielten. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen maschinelles Lernen, Mustererkennung, immersives quantifiziertes Lernen, Data Mining und semantische Technologien. Vor seinem Wechsel zum DFKI und zur TU Kaiserslautern arbeitete er bei IBM, Siemens Research, Xerox Parc und an der Universität Stuttgart.





Autor(in): Petra Schraml
Kontakt zur Redaktion
Datum: 17.10.2019
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