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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 30.08.2018:

Kulturschulen in Baden-Württemberg: Unterrichtsentwicklung durch Kunst

Das Modellprojekt „Kulturschule 2020 Baden-Württemberg“ bringt mehr ästhetisch-kulturelle Praxis in den Schulunterricht
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Bildrechte: „Kulturschule 2020 Baden-Württemberg“

In dem fünfjährigen Modellprojekt „Kulturschule 2020 Baden-Württemberg“ entwickeln zehn baden-württembergische Schulen ihren Unterricht durch die Integration der Künste weiter. Das Ziel: Eine Verbesserung der Schulqualität insgesamt.


Im vergangenen Jahr empfing das Lise-Meitner-Gymnasium (LMG) in Böblingen einen ungewöhnlichen Gast: Friedrich Schirmer, der Intendant der Württembergischen Landesbühne Esslingen. Schirmer kam zu einer Vertragsunterzeichnung in die Schule, mit der die Kooperation seiner Bühne mit dem Gymnasium besiegelt wurde. Die Schülerinnen und Schüler des Lise-Meitner-Gymnasiums können nun einmal im Schuljahr eine Theatervorstellung der Württembergischen Landesbühne Esslingen besuchen. Diese Besuche werden von theaterpädagogischen Vor- und Nachbereitungen durch die Landesbühne flankiert. Eine Theaterpädagogin unterstützt die Theaterworkshops der Schule. Es ist nicht die erste Kooperation dieser Art: Das LMG arbeitet bereits mit der Musik- und Kunstschule Böblingen, der Martinsschule Sindelfingen, der Städtischen Galerie Böblingen und zahlreichen freien Künstlerinnen und Künstlern zusammen.

Auch das Friedrich-Schiller-Gymnasium in Ludwigsburg baut Kunst, Theater und Kulturgeschichte fächerübergreifend in den Schulalltag ein. Im Physikunterricht steht die Kulturgeschichte der Elektrizität auf dem Stundenplan, in Mathematik rechnen die Schülerinnen und Schüler mit architektonischen Beispielen, in Deutsch vertonen die Klassen deutsche Lyrik mit Hip-Hop-Musik. Eine Schülergruppe hat unter Anleitung einer freischaffenden Künstlerin abstrakte Skulpturen hergestellt. Und an der Max-Weber-Schule in Freiburg, der größten kaufmännischen beruflichen Schule Südbadens, ist das Schülerkulturprogramm „Kultur macht Schule“ ins Leben gerufen worden. Ein kultureller Austausch außerhalb des Unterrichts findet im Programm „Literatur und Gespräche“ statt, wo Autorinnen und Autoren in der Schule aus ihren Werken lesen. Eine Schüler-Lehrer-Band, die Max-Weber-Combo, ist fester Bestandteil des kulturellen Schullebens. Ein jährliches Medienprojekt mit der Fußballschule des SC Freiburg beschäftigt sich mit der Sportberichterstattung. Im Projekt „Kunst und Kultur“ setzen sich die Schülerinnen und Schüler mit verschiedenen Arten von Kunst und dem vielfältigen kulturellen Angebot in Freiburg und der näheren Umgebung auseinander. Dabei begegnen die Jugendlichen zahlreichen Kooperationspartnern wie dem Kunstraum Alexander Bürkle, der Jugendkunstschule oder der Jazz- und Rockschule, den Museen der Stadt Freiburg sowie vielen anderen Einrichtungen.

Schulqualität als Ganzes steigern
Diese drei Beispiele für die Integration von Kunst in die Schule sind in den vergangenen Jahren nicht zufällig entstanden. Insgesamt zehn baden-württembergische Schulen sind mit Schuljahresbeginn 2015/2016 in das Modellprojekt „Kulturschule 2020 Baden-Württemberg“ eingestiegen, das vom Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg und der Karl Schlecht Stiftung gefördert wird. Auf fünf Jahre erhalten die Schulen – neben den eingangs erwähnten sind es das Mörike-Gymnasium Göppingen, die Elly-Heuss-Realschule Ulm, die Fritz-Boehle-Grund- und Werkrealschule Emmendingen, die Kerschensteiner-Gemeinschaftsschule Mannheim, die Friedrich-Schiller-Schule Großheppach, die Maria-Montessori-Grundschule Hausen und die Bodelschwinghschule Nürtingen – von der Karl Schlecht Stiftung jährlich ein „Kulturbudget“ von 10.000 Euro.

Das Modellprojekt hat zum Ziel, Unterrichtsentwicklung in Richtung einer stärkeren Einbindung ästhetisch-kultureller Praxis zu fördern. Eine verbesserte Teilhabe an Kunst und Kultur soll die Persönlichkeitsbildung unterstützen und ein erfolgreiches Lernen durch Kreativmethoden auch in nicht-künstlerischen Fächern ermöglichen. Im Gegensatz zu vielen Einzelprojekten wie „Jugendbegleiter“, „Kultur.Forscher!“, „Kulturstarter“ und „Kulturagenten für kreative Schulen“ stößt „Kulturschule 2020“ nun die innere kulturelle Schulentwicklung an und verankert künstlerische Methoden fest im Unterricht aller Fächer.

„Kulturelle Bildung hat eine außerordentlich positive Auswirkung auf die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen“, so Frank Henssler, der Projektleiter auf Seiten der Karl Schlecht Stiftung. „Sie stärkt ästhetische, emotionale, kognitive und sensomotorische Fähigkeiten. Hier setzen die Kulturschulen an, an denen die kulturelle Bildung ein noch selbstverständlicherer und breiterer Bestandteil des Schulalltags wird. Fachinhalte werden durch kreative Lehrmethoden besser erfahrbar. Es geht uns aber nicht darum, eine neue Schulart zu erfinden, sondern das Ziel ist die Steigerung der Qualität der Schule als Ganzes.“

Projekt der Teilhabe
Die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann befindet: „Das Modellprojekt zeigt in vorbildlicher Weise, wie sich privates Engagement und öffentliches Interesse zum Wohl von Kindern und Jugendlichen verbinden können. Die Kulturschule ist dabei kein Projekt der Begabtenförderung, sondern ein Projekt der Teilhabe. Es betrifft die ganze Schule und ihr Umfeld.“

In den ersten beiden Projektjahren haben die zehn Kulturschulen Steuergruppen und Projektteams etabliert, welche die Konzeption, Durchführung und Evaluation von Maßnahmen zur kulturellen Bildung in ihrer Schule verantworten. Die Schulen haben ästhetische Zugangsweisen in die nicht-künstlerischen Fächer integriert, das Unterrichtsangebot im künstlerisch-ästhetischen Bereich weiterentwickelt und mit Kooperationspartnern Aktivitäten der kulturellen Bildung durchgeführt.

Zum Einstieg in den kulturellen Schulentwicklungsprozess haben die Kulturschulen einen „Kulturfahrplan“ erstellt. An der Maria-Montessori-Grundschule in Hausen umfasst der zum Beispiel die Förderung des Schriftspracherwerbs im Rahmen eines Schulkrimi-Projekts sowie Förderung und Ausbau der Zusammenarbeit mit der Akademie Schloss Solitude via Künstler-Workshops.

Projekt mit Außenwirkung
An der Kerschensteiner-Gemeinschaftsschule in Mannheim ist Theaterpädagogik nun ein fester Bestandteil in den Klassen 5 und 6. Zahlreiche erweiterte Bildungsangebote wie Malprojekte, Video-AGs und Performance-Projekte erfolgen in Zusammenarbeit mit Künstlerinnen und Künstlern, zweimal im Jahr finden Kulturtage statt, und die Schule öffnet sich für den Stadtteil: Die Schülerinnen und Schüler präsentieren ihre künstlerischen Ergebnisse in einer Vernissage, mit der Schulband und dem Chor und der Aufführung des jährlichen Musicals.

Die Elly-Heuss-Realschule in Ulm hat das bestehende Kunstprofil zu einem künstlerisch-musischen Profil im Wahlbereich ausgebaut und bezieht Gesang und Schauspiel in Workshops in den Schultag ein. Schulleiter Eugen Epp erklärt dazu: „Kunst und Kultur ist ein Betätigungsfeld für Schüler, die sonst nicht so engagiert rüberkommen – eine Chance, wo sich diese Schüler behaupten können. Und wenn die sich dann trauen, vorne auf der Bühne zu stehen, und den Mut haben, vor der Schulgemeinschaft aufzutreten, dann findet das viel Anerkennung. Es ist uns sehr wichtig, dass wir so einen Bereich haben.“

Angela Hauser, Schulleiterin der Fritz-Boehle-Grund- und Werkrealschule in Emmendingen, möchte „bis 2020 ein aufeinander aufbauendes, curriculumartiges Konzept von Klasse 1 bis 10 entwickelt haben – auch mit viel Außenwirkung, was für Grund- und Werkrealschulen sehr wichtig ist.“ Das kann Schulleiterin Barbara Andreas von der Bodelschwinghschule Nürtingen bestätigen: „Es kommen jetzt auch außerschulische Partner auf uns zu, weil sie mitbekommen haben, dass wir Kulturschule sind. Da merkt man schon, dass der Titel wirkt.“

Fortbildungen an der Akademie Schloss Rotenfels
Die Erfahrungen, die in den ersten Jahren an den Kulturschulen mit Projekten wie der Tanz-Choreographie „Dancing Chemistry Danse“, der Sozialen Plastik „Tronco“ oder dem Beatboxen gemacht worden sind, decken sich. So meint ein Schüler vom Mörike-Gymnasium: „Die Erinnerungen bleiben durch die Erlebnisse mit den Künstlern einfach besser im Kopf, als wenn man das Thema einmal im Unterricht hatte.“ Ein Lehrer von der Max-Weber-Schule in Freiburg hat beobachtet: „Der Schüler, der sonst eigentlich nur durch Fehlzeiten geglänzt hat, war dann ein ganz toller Rapper und hat sich dann mal von einer ganz anderen Seite gezeigt.“ Eine Lehrerin der Friedrich-Schiller-Schule in Großheppach berichtet: „Mich fasziniert zu sehen, dass Kinder, die sonst immer am Rand sind, die man schwer für etwas begeistern kann, dann plötzlich vor der Schulgemeinschaft beatboxen.“

Für Schulleitungen sowie Lehrerinnen und Lehrer bietet das Modellprojekt einmal jährlich Fortbildungen an der Akademie Schloss Rotenfels. Die Fortbildungen sind als kreativ-dialogischer Prozess angelegt und bestehen aus einem künstlerischen und einem pädagogischen Teil. Wer möchte, kann weitere individuelle Fortbildungen durch die Akademie erhalten.

Seit dem Schuljahr 2017/18 bis zum Ende des Projekts ist ein Prozessbegleiter eingesetzt. Der Experte für kulturelle Schulentwicklung berät die Projektschulen in allen Fragen der strukturellen Verankerung von kultureller Bildung. Zudem moderiert und begleitet er die Projekt- und Organisationsentwicklung und die schulinternen Fortbildungen.

Evaluation mündet in Handreichung

Das Modellprojekt „Kulturschule 2020 Baden-Württemberg“ wird durch den Lehrstuhl für Schulpädagogik der Universität Heidelberg unter Prof. Anne Sliwka wissenschaftlich begleitet und ab dem zweiten Projektjahr jährlich evaluiert. Die Datenerhebung erfasst die Nutzung von Kulturfahrplänen, die kulturellen Schulprogramme und -curricula, die Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern, die Vernetzung mit anderen kulturaktiven Schulen, die fächerübergreifende kulturbezogene Kooperation der Lehrkräfte, die ästhetisch-kreative Praxis in den nicht künstlerischen Fächern, die zeitlich-räumlichen Bedingungen für den Kulturschwerpunkt sowie die Wirkung der Prozessbegleitung und der zentralen Fortbildungen.

Zum Ende der Projektlaufzeit 2020 sollen die Ergebnisse in einen Abschlussbericht und eine Handreichung zur kulturellen Unterrichtspraxis überführt werden, die Schulen zeigt, wie man sich zur Kulturschule entwickelt.



Autor(in): Ralf Augsburg
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Datum: 30.08.2018
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